Grosse Depro-Striptease in «Ladies Night» | Kritik vom 7. Mai 2018 | Tagesanzeiger, Zürich
Grosse Depro-Striptease in «Ladies Night» | Kritik vom 7. Mai 2018 | Tagesanzeiger, Zürich
Zürich, Theater am Hechtplatz – Nein, sie sind nicht die Chippendales, die sechs Männer, die jetzt für die Komödie «Ladies Night» auf der Hechtplatz-Bühne stehen: Sie sind zu dünn, zu dick, zu wenig definiert, zu sehr mit eigenen Problemen beschäftigt. Es würde auch keinem Chippendale einfallen, mit einem Bügelbrett zu strippen; das macht aber einer aus diesem Ensemble. Er bügelt, als gälte es, den Preis für den besten Zürcher Hausmann zu gewinnen, und trägt dann noch den Abfall raus. Das macht Andy Nzekwu zwar zum Liebling des Publikums. Aber bezahlen würde für so einen Auftritt wohl keine Frau. Und gerade darum geht es diesen Männern: Sie versuchen, ein Striptease-Theater auf die Beine zu stellen, mit dem sich Geld verdienen lässt.
Die Entblössung gehört zum Geschäft. Mit der Komödie «Ladies Night» von 1987 hatten die neuseeländischen Autoren Anthony McCarten und Stephen Sinclair einen grossen Erfolg, zehn Jahre später gab es im britischen Film «The Full Monty» einen ebenso erfolgreichen Nachahmer. Erzählt wird von Männern, die aus Not ein neues Geschäftsmodell entwickeln. Sie tragen ihre eigene Haut zu Markte und zeigen alles, was sie haben. In der Deutsch-Schweizer Bearbeitung von Regisseur Oscar Sales Bingisser bekommt diese Geschichte einen Zürcher Dreh. Schlüüch abe! heisst die Aufforderung. Und irgendwie sieht man hier in den Schweizer Mann hinein.
Da ist einer, der sich aufhängen will, weil er kein Geld mehr hat (Enzo Scanzi). Da der andere, mit dem einen Frau nicht mehr zusammen sein will (Midi Gottet). Ein Fifi (Kamil Krejci) kommt von seiner Mutter nicht weg, und Rolf Sommer gibt den Veganer, der mit dem eigenen Fleisch so seine Probleme hat. Man stolpert durchs Leben, das doch ein Tanz sein könnte. Unter dem Strich sind sie aber alle das Geld wert. Nur schon die Depro-Striptease-Nummer des Midi Gottet muss man gesehen haben. Oder Rafael Beutl: Der Ex-Bachelor macht eine super Figur auf der Bühne, und da muss er gar nicht viel machen.
Alleine können sich die Männer aber nicht helfen, die resolute Maja Stolle bringt sie für die Show auf Vordermann. Die Frauen wollen einen tollen Abend verbringen, sagt sie, «die haben ihre eigenen Probleme und sind gekommen, sie zu vergessen.» Und siehe: Mit «Ladies Night» funktioniert das Vergessen wunderbar. Da brauchts keine Chippendales.
Stefan Busz, Tagesanzeiger 7. Mai 2018